Wir brauchen kein Ökobilanz-Netzwerk in Deutschland. Diese Aussage habe ich so oder so ähnlich schon oft von alteingesessenen Kollegen gehört. Sie ist falsch. Denn diese Kollegen haben ihr Netzwerk längst aufgebaut. Sie brauchen kein Ökobilanz-Netzwerk mehr, weil sie bereits ihr eigenes analoges, organisch gewachsenes Netzwerk haben. Der Aufbau eines eigenen Netzwerks ist heute nicht mehr so einfach und das hat unterschiedliche Gründe.

Zunächst ist Ökobilanz (international: Life Cycles Assessment, LCA) in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Aufgrund der zunehmenden politischen Bedeutung von Umweltaspekten, wird sich dieser Trend wohl fortsetzen. Dadurch wächst der Personenkreis, der sich in diesem Forschungsfeld bewegt, stetig. Das Wachstum findet aber nicht alleine in Forschungsinstitutionen statt, die sich vorrangig mit LCA beschäftigen. Vielmehr gibt es immer mehr Unternehmen, Institutionen und Forschungseinrichtungen, die LCA nutzen, um ihre Forschung und Entwicklung zu begleiten. Solche Einrichtungen haben meist nur sehr wenig Personal, das sich mit LCA beschäftigt, im Extremfall werden Ökobilanzen von studentischen Kräften durchgeführt. Da in den genannten Einrichtungen, die Anwendung der Ökobilanz im Mittelpunkt steht, treten solche LCA-Anwender*innen im Forschungskontext in der Regel nicht auf. Auf Konferenzen sind sie, insbesondere die Nachwuchskräfte, nur selten zu finden. Diese Entwicklung führt zur Fragmentierung des Forschungsfelds LCA. Ein offenes Netzwerk für alle kann hier Abhilfe schaffen. Ich sehe vor allem Jungwissenschaftler*innen als treibende Kraft für den Aufbau eines solchen Netzwerkes. Sie benötigen es am dringendsten und profitieren am meisten davon.

Welche Netzwerke gibt es bereits?

In der Schweiz hat sich das LCAforum als Netzwerk etabliert, das regelmäßig zu internationalen Diskussionstreffen zu Fachthemen im Bereich LCA lädt. Das Schweizer LCAforum sollte uns als Vorbild dienen. Auch die weltweit relevante Diskussionsliste von PRé Consultants kann als Netzwerk betrachtet werden. Hier tauscht sich die „LCA-Gemeinde“ täglich aus, vom Anfänger bis zu den weltweit führenden Experten diskutiert jeder mit. Auch die von der UNEP und SETAC organisierte Life Cycle Initiative bietet bereits ein Netzwerk mit europäischem Ableger. Bei der jährlich im deutschsprachigen Raum stattfindenden Ökobilanzwerkstatt treffen sich Nachwuchswissenschaftler*innen, um gemeinsam über ihre Forschungsarbeit zu diskutieren. Dazu kommen zahlreiche Gruppen auf LinkedIn. Wozu braucht man bei so einer starken internationalen Vernetzung also noch ein besonderes Netzwerk in Deutschland?

Alle genannten Netzwerke haben neben vielen Vorteile auch Nachteile, bei denen wir ansetzen wollen. Die Teilnahme am LCAforum erfordert immerhin eine Reise in die Schweiz. Die PRé-Liste erfordert den Mut eine vermeintlich blöde E-Mail an die gesamte, globale LCA-Kompetenz zu schicken. SETAC-Konferenzen erfordern meist nicht nur weite Anreise, sondern auch hohe Teilnahmegebühren. Die Ökobilanzwerkstatt orientiert sich inhaltlich eher an den Vorträgen der Teilnehmer und bestimmten Anwendungsgebieten. Grundsätzliche methodische Fragestellungen werden eher nicht diskutiert. Was also kann ein neues Netzwerk bieten, um das zu verbessern?

Mit dem „1st young LCA researcher workshop Karlsruhe“ im Februar 2015 wollten wir ein – zumindest für uns – neues Format testen: Ein lokales Treffen mit dem Ziel, andere LCA-Anwender*innen in der näheren Umgebung kennen zu lernen, um gemeinsam neues Wissen zu erwerben. Der Aufbau eines Netzwerks war unser zusätzliches Ziel. Dabei wurden während des Workshops folgende Anforderungen an ein Netzwerk gestellt:

  • Kontakte und Partner finden
  • Diskussion und Erfahrungsaustausch ermöglichen
  • Auf dem Laufenden bleiben
  • Perspektiven erweitern

Diese Ansprüche soll das neue, hier entstehende Netzwerk erfüllen. Es soll aus zwei Teilen bestehen: Zum einen aus einer Online-Plattform, die den ständigen Austausch, z.B. in Foren, ermöglicht, eine Anlaufstelle für Nachwuchsforscher*innen bietet und Neuigkeiten veröffentlicht. Zum anderen aus regelmäßigen, lokalen Treffen im Stil des „1st young LCA researcher workshop Karlsruhe“. Ich würde mich freuen, wenn es künftig noch mehr lokale Treffen in Deutschland gibt.

Ökobilanz öffentlich sichtbar machen

Eine weitere Anforderung die in unserem ersten Workshop formuliert wurde, ist die Sichtbarmachung von Ökobilanz in der Öffentlichkeit. Unser neues Netzwerk kann durch seine öffentlichen Bereich dazu beitragen. Hier können wir der Öffentlichkeit Personen und Institutionen vorstellen, die sich mit Ökobilanz beschäftigen. Auch ein öffentliches LCA-Wiki wäre langfristig denkbar. Die Plattform bietet uns eine Vielzahl an Möglichkeiten. Wir müssen sie nur nutzen.

Fazit

Wir brauchen ein LCA-Netzwerk in Deutschland und hier soll ein solches entstehen. Dazu brauchen wir eure Hilfe! Egal ob ihr euch an der Gestaltung der Plattform beteiligen wollt, an der Veranstaltung eines lokalen Treffens interessiert seid, oder einfach nur dabei sein wollt: Meldet euch bei uns: info@lcanet.de

 

Wozu brauchen wir ein LCA-Netzwerk in Deutschland?

Schreibe einen Kommentar